15.04.18
Die Geschichte des Trekking Ultraleicht
Die Geschichte des Ultraleicht-Trekkings
Text und Bilder: Henrik Raßmann
Trekking ultraleicht, also Touren, bei denen es darauf ankommt, bloß die leichteste Ausrüstung bei sich zu tragen, ist kein neues Phänomen. Die Philosophie ist mehr als hundert Jahre alt. Doch es war in den siebziger bzw. den frühen neunziger Jahren, als sich die Dinge wirklich maßgeblich änderten. Rucksacktouristen, Wanderer und Kletterer begannen, mehr auf Effizienz zu achten, um Grenzen zu überschreiten und längere Strecken zurückzulegen. Zu diesem Zweck stellten sie sich eine einfache Frage: Wo können wir Gewicht reduzieren?
Das findest du in diesem Artikel:
- Entstehung & Pioniere
- Die Revolution
- Entwicklungen
- Die Big 4 damals und heute
- Schlusswort
- Tipps zum Weiterlesen
Entstehung und Pioniere
Ultralight Hiking wurde insbesondere vom Kletterer Ray Jardine populär gemacht. Wegweisend war dabei Jardines Buch "PCT Hiker's Handbook" aus dem Jahr 1992, das 1999 unter dem Titel "Beyond Backpacking" erneut veröffentlicht wurde. Darin legt der Autor das Fundament für viele Techniken, die Kletterer und Wanderer heute anwenden. Doch Ultralight Trekking gab es schon viel eher.
Ende des 19. Jahrhunderts durchquerte George W. Sears das Gebiet der Appalachen. Mit seinem Buch "Woodcraft" legte er 1884 auf gewisse Weise den Grundstein für die Idee des ultraleichten Trekkings. Das Buch wird übrigens bis heute gedruckt. Seine Ausstattung auf seiner Wanderung durch die Appalachian Mountains bestand aus einer gewachsten Plane, einem Gehstock, einem Paddel und einer Pfanne.
Eine weitere Pionierin war Emma "Grandma" Gatewood, die im Jahr 1955 den Appalachian Trail durchwanderte. Die meisten Nächte, in denen kein anderer Unterschlupf verfügbar war, schlief sie unter Picknicktischen oder auf Laubhaufen. Ihr Gepäck enthielt eine Plastikplane, eine Armeedecke, einen Schirm, ein paar wenige einfache Hilfsmittel sowie ein selbstgenähter Sack, um Kleidung und Essen zu tragen. Damit wog Gatewoods zu tragende Last viel weniger als die Rucksäcke des Durchschnittswanderers jener Tage.
Die Revolution
In den 1980er Jahren begann Jardine mit Fernwanderungen. Nach mehreren Zehntausend zurückgelegten Kilometern, unter anderem auf dem Pacific Crest Trail, und in den Appalachian Mountains, machte er sich daran, das moderne Wandern mit revolutionären Ideen auf den Kopf zu stellen.
The Ray Way
- Benutze eine Plane, kein Zelt.
- Benutze eine Schlafdecke (Quilt genannt) mit Daunenfüllung, keinen Schlafsack.
- Nutze Laufschuhe, keine schweren Wanderstiefel.
- Transportiere alles in einem selbstgenähten Rucksack, der maximal ein Pfund wiegt.
Da Teile der von Jardine empfohlenen Ausrüstung damals nicht gekauft werden konnten, mussten "Ray-Way-Anhänger" selbst nähen. Und das taten sie. Zuerst vereinzelt, dann zu Dutzenden und irgendwann zu Tausenden. MYOG (Make Your Own Gear), sich sein Equipment aller Kategorien selbst zu nähen oder herzustellen, ist noch heute der Grundpfeiler des "Ray Way". Doch Gewicht sparen war nur eines der Ziele des Ray-Way, vor allem wollten UL-Wanderer wieder Energie haben, die Natur um sich herum wahrzunehmen.
Entwicklungen
Viele der Ideen des Ray-Way wurden kommerzialisiert und als Inspiration für moderne Trekkingausrüstung genutzt. Namhafte Ausrüstungshersteller, wie GoLite übernahmen die Prinzipien aus der Geschichte, sodass heute jeder, der will, in den Genuss von "Ray-inspiriertem" UL-Equipment kommen kann.
Das GoLite Cave 1, die kommerzielle Version von Jardines Plane, ist zum Beispiel in jeder Hinsicht ein praktischer und leichtgewichtiger Bestandteil einer hoch effizienten Trekkingausrüstung.
Auf Jardines Ansätzen basiert auch der Breeze, ein Rucksack ebenfalls von GoLite. Der Breeze kommt ohne Brust- oder Hüftgurt, ohne Zurr- oder Kompressionssystem oder andere Extras, die heutzutage üblich sind. Seine Struktur erhält er erst durch strukturgebendes Gepäck wie etwa eine Isomatte. Und das Revolutionäre: Er wog damals nur 400 Gramm!Hauptattribut des Breeze ist der große Hauptpacksack. An diesem befinden sich insgesamt drei Netztaschen, zwei kleine an den Seiten und eine große auf der Vorderseite. Vor allem die kleinen seitlichen Netztaschen eignen sich bestens für die Unterbringung von Trinkflaschen, Erste-Hilfe-Utensilien oder kleinen Mengen Proviant. Weitere Unterbringungsmöglichkeiten bieten verschiedene Stoffteile und Schlaufen, die dem Pack einerseits Stabilität verleihen und andererseits zum Transport von Zeltstangen oder Trekking Poles verwendet werden können. Später hieß die überarbeitete Version GoLite Jam, der auch hierzulande bestens bekannt ist in der Szene.
Später kamen noch weitere Wanderer und gingen in Rays Spuren. Da sie keine Zelte, Schlafsäcke, Isomatten etc. fanden, die ihren Ansprüchen genügten, bauten sie sich diese selbst und verkauften sie auch mal an Freunde. Ein ganzer Geschäftszweig entstand. Solche Marken waren und sind Gossamer Gear, Six Moon Designs, Sierra Designs und viele andere noch heute tätige oder neu entstehende Firmen, kleine, große oder ganz klein (die sogenannten Cottages).
Die Big 4 damals und heute
Der einfachste Weg, beim Trekking Gewicht zu sparen, besteht darin, die essenziellen, aber schweren Utensilien zu ersetzen, die Big Four: Rucksack, Zelt, Schlafsack und Isomatte sprich die Unterlage. Durch die Philosophie des Ultralight Trekkings haben sich die Gegenstände dieser Kategorien im Laufe der Jahrzehnte maßgeblich verändert. Und sie sind auch das erste, das jeder Einsteiger leichter machen sollte.
Bis ins 21. Jahrhundert hatten Rucksäcke einen externen Rahmen, waren schwer und oftmals mit einem Ausrüstungs-Gewicht von mehr als 40 kg beladen. Heutzutage sind Packs mit einem Gewicht von deutlich unter 500 g erhältlich. Versierte UL-Geher tragen in so einem Leichtrucksack lediglich Ausrüstung von 3-5 kg umher.
Vor der Zeit des Lightweight Hikings waren Wanderer auf schwere Baumwoll-Zelte angewiesen, die samt dem nötigen Aufbau-Zubehör mehrere Kilo wogen. Die Plane war schon damals die leichteste Wahl und ist es bis heute geblieben. Allerdings nennen wir es nicht mehr Plane, sondern Tarp. Deren Aufbau und Befestigung erfordert etwas mehr Zeit und Geschick. Aber man entwickelt schnell eine eigene Technik. Sie lassen sich vor allem mit Gegenständen befestigen, die Wanderer ohnehin dabei haben, z. B. mit Trekkingstöcken, oder mit Material, das man unterwegs findet (Äste, Bäume, ...) Außerdem wiegen sie wenn es hoch kommt um die 400 g.Darüber hinaus erkannten Wanderer, dass sie bis zu 3 kg Gewicht auf Tour einsparen konnten, wenn sie ihren Schlafsack durch einen Daunen-Quilt ersetzten. Bei der Schlafunterlage sparten die Pioniere von damals Gewicht, indem sie ganz einfach den unteren Teil abschnitten und beispielsweise Kleidung als Unterlage für die Beine verwendeten. Das ist übrigens auch ein Tipp für heutige Wander-Freunde.
Schlussworte
Mit dem Fortschritt, der ständig neue Annehmlichkeiten schafft, schwindet die Verbindung zur Natur. Pioniere wie Ray Jardine und Unternehmen wie GoLite jedoch zeigten, dass weniger Gepäck auf dem Trail der ultimative Komfort ist. Deshalb bevorzugte Ray Jardine das Schlafen unter einem selbst gebauten Tarp und unter einer Schlafdecke. Alles war für ihn Natur, die es zu erleben galt.
Diese Liebe zur Natur ist durch die gesamte Geschichte bis heute zu spüren. Wir genießen die Vorzüge des buchstäblich unbeschwerten Wanderns. Wer mit leichter oder ultraleichter Ausrüstung auf Tour geht, kann in der selben Zeit mehr laufen, mehr sehen, mehr Eindrücke sammeln. Statt sich auf die schweren Beine und den schmerzenden Rücken zu konzentrieren, sehen wir die Natur neben dem Weg. Das intensive Erleben der Wälder und Berge fällt leicht. Wir schlendern wieder, sind Teil und haben die Kraft und Lust echte Abenteuer zu erleben.
Tipps zum Weiterlesen
Und wo kann ich noch mehr zu ultraleichter Trekking Ausrüstung lesen? Wir haben einen richtig gut gemachten Blog über ultraleichte Ausrüstung gefunden, den wir gerne weiter empfehlen.
Der Autor Stefan Dapprich hat ein Top-Buch zum Einstieg geschrieben. In "Trekking Ultraleicht" beschreibt er Techniken, Geschichte und gibt Equipment-Tipps für Einsteiger. Aber auch für UL-Profis eine interessante Lektüre. Sowohl Stefan Dapprich als auch sein Co-Autor sind selbst Langstreckenwanderer und sprechen aus Erfahrung. Am besten kauft ihr es in der Buchhandlung eures Vertrauens.