04.02.21
Draußen schlafen - Auch im Winter!

Draußen schlafen - Auch im Winter
Text: Mara Biebow - trekking-lite-store.com
Der Himmel verfärbt sich langsam. Die Sonne senkt sich dem Horizont zu und zaubert ein Farbspektakel über den Himmel. Es ist klirrend kalt. Der Sternenhimmel in dieser Nacht wird atemberaubend werden. Neben dir dampft das Wasser auf dem Kocher endlich. Ein warmes Abendessen und eine Tasse Tee in der Hand, beobachtest du die hereinbrechende Dunkelheit, bis es Zeit wird, ins Zelt zu kriechen.
Draußen schlafen im Winter; dazu gehört eine gehörige Portion Selbstüberwindung, vor allem beim ersten Mal. Doch wer den inneren Schweinehund von der Idee überzeugt (und die Kommentare aus dem Bekanntenkreis ausblendet), der erlebt ein intensives Abenteuer. Denn seien wir mal ehrlich: Sind es nicht die harten, die speziellen und herausfordernden Nächte in der Natur, die uns im Gedächtnis bleiben?
Das findest du in diesem Blogartikel
- Wo darf ich überhaupt zelten oder biwakieren?
- Welche Ausrüstung brauche ich?
- Weitere Tipps und Tricks zu Zeltplatzwahl, Aufbau und allgemeines „Überleben“ einer winterlichen Nacht im Zelt

Wo darf man eigentlich campen?
Die schlechte Nachricht zuerst: Wild Camping ist in Deutschland auch im Winter verboten. Die gute: Immer mehr Campingplätze stellen sich auf Wintercamper ein und öffnen auch im Herbst und Winter. Inzwischen gibt es in mehreren Regionen auch sogenannte Trekking Camps. Für die, die Gefühl in freier Natur abseits der ausgetretenen Lagerplätze auf legale Weise haben wollen, sind das genau die richtigen Orte.
Tipp: In vielen skandinavischen Ländern wird das mit dem Wild Camping lockerer gesehen. Auch in der Schweiz ist Wildcampen außerhalb geschützter Gebiete prinzipiell erlaubt. Die Regeln unterscheiden zwischen den Kantonen jedoch gravierend. Also vorher einmal fix Google anwerfen, die genauen Bestimmungen checken und Risiken abwägen.
Sonderregeln gelten für das Biwakieren, also das Schlafen unter freiem Himmel. Ein (Not-)Biwak ist immer erlaubt. Biwakieren gilt nämlich als Lagern und ist dementsprechend gestattet. Auch ein Tarp oder eine Hängematte sind nicht verboten. Allerdings solltest du dir deine Übernachtungsorte aufmerksam auswählen und nicht auf Privatgrundstücken oder bewirtschafteten Flächen dein Lager aufschlagen. Zelten und Biwakieren in Naturschutzgebieten oder Nationalparks ist in den allermeisten Fällen nicht gestattet.

Was brauche ich zum Zelten im Winter?
Wir wissen, in welchen Gebieten wir unser Zelt aufschlagen dürfen (oder haben den Wald-/Wiesenbesitzer erfolgreich um Erlaubnis gebeten). Die Tour ist geplant. Jetzt fehlt nur noch die Ausrüstung. An diese werden im Winter und insbesondere bei Schnee besondere Anforderungen gestellt.
Das passende Zelt
Ganz besonderen Herausforderungen steht das Zelt gegenüber. Es muss neben den üblichen Verdächtigen wie Wind, Feuchtigkeit und allgemein schlechtem Wetter auch Schnee und niedrigen Temperaturen trotzdem. Gerade wenn es über Nacht mehrere Zentimeter schneit, ist ein winterfestes Zelt Gold wert. Das muss jetzt nicht gleich ein arktistaugliches Expeditionszelt sein, dennoch sollte dein Winterzelt stabil sein und sich nicht von Schneelasten bezwingen lassen. Zur Sicherheit kann man auch noch einen zweiten Gestängesatz verwenden.
Das wunderbar luftige Meshinnenzelt vom Sommer ist im Winter eher kontraproduktiv. Weht Schnee unter dem Außenzelt durch, bietet Mesh keinen Schutz vor dieser Feuchtigkeit und Kälte. Auch Lüftungsklappen sind beim richtigen Zelt möglichst hoch angebracht sein und sich vollständig schließen lassen. So hat auch dichtes Schneetreiben keine Chance.
Außerdem wichtig: Platz. Und davon jede Menge. Ausrüstung im Winter nimmt mehr Platz ein und zudem muss man generell mehr von beinahe allem mitnehmen: mehr Kleidung, mehr Nahrung, mehr Brennstoff. Damit alles im Zelt untergebracht werden kann und man auch in sperrigen Winterklamotten genug Bewegungsfreiheit hat, achte bei der Zeltwahl auf einen geräumigen Innenraum und viel Platz in den Apsiden.
Der ideale Winterzeltplatz
Die Qual der Platzwahl ist im Winter fast noch entscheidender als in den anderen Jahreszeiten. Ein falsch gewählter Campspot kann schnell gefährlich werden. Klar sollte jedem sein, das lawinengefährdete Bereiche gemieden werden. Dazu gehören (Steil-)Hänge, aber auch Schluchten oder Stellen mit hohen Verwehungen. Was bei winterlichen Tagestouren gilt, gilt beim Übernachten im Freien im Winter sogar noch mehr: Behalte den Lawinenlagebericht deiner Region im Auge (wenn möglich auch von unterwegs aus) und beschäftige dich schon vorher mit Lawinen und dem Umgang mit dem Verschüttetensuchgerät.
Der perfekte Platz sollte windgeschützt liegen, etwa hinter einem großen Felsen. Auch der Wald bietet Schutz, hier solltest du nach einer Lichtung Ausschau halten. Bei hohen Schneelasten brechen Äste schnell. Senken solltest du eher meiden. Hier bilden sich schnell "Seen" aus kalter Luft. Wenn sich gar kein windgeschütztes Eckchen findet, kannst du dir eine Windmauer auch fix selbst aufbauen. Dafür schüttest du in etwa 3 Metern Entfernung zum Zelt eine knapp einen Meter hohe Schneewand auf, die flach ansteigt und zum Zelt hin vertikal abfällt. An dieser Mauer bricht sich der Wind.
Richtig aufgebaut, ist halb durchgeschlafen
Schnee ist ein denkbar schlechter Verankerungsgrund zum Zelt aufbauen. Dementsprechend viel Aufmerksamkeit solltest du dem Aufbau widmen, damit dein Zelt auch eine stürmischere Nacht übersteht. Bei viel Pulverschnee solltest du deinen Zeltplatz erst einmal festtreten. Den Rucksack dafür aufbehalten, je schwere, desto besser komprimiert es sich. Lass alles kurz festfrieren, ehe du weiter machst.
Ähnlich gehst du beim Verankern vor. Spezielle Schnee- oder Sandheringe sind länger und breiter als ihre normalen Kollegen. Du kannst aber auch Skier, Stöcke o.ä. benutzen. Skier/Stöcke/alles, was lang ist, lassen sich leicht schräg in den Schnee stecken (rundherum alles gut komprimieren!). An ihnen werden die Abspannschnüre befestigt. Eine andere Möglichkeit sind Schneeanker (Alu- oder Kunststoffquadrate) oder Schneebeutel. Schneeanker werden analog zu Heringen eingesetzt. Schneebeutel werden mit Schnee befüllt, vergraben und komprimiert. Auch Heringe (Stöcke, Äste, …) kannst du vergraben. Achte dann darauf, dass sie T-förmig zum Zelt ausgerichtet sind. Und wieder: Den Schnee gut komprimieren und anfrieren lassen, bevor du das Zelt abspannst. Nutze außerdem wirklich alle Abspannpunkte. So kannst du auch bei Sturm beruhigt im Zelt liegen, ohne Angst zu haben, dass dir dieses um die Ohren fliegt.

Für eine warme Nacht: das perfekte Schlafsystem
Genauso wichtig wie ein winterfestes Zelt ist ein gutes Schlafsystem. Da die Kälte vor allem über den Boden kommt, brauchst du neben einem guten Schlafsack auch eine wirklich gute und dicke Isomatte. Augenmerk solltest du hier auf den R-Wert legen. Dieser gibt dir an, wie gut die Matte isoliert. 4 ist die magische Zahl. Darunter sollte eine Isomatte für Wintertouren nicht liegen.
Tipp: R-Werte addieren sich. Wenn du eine gute Isomatte hast, deren R-Wert jedoch unter vier liegt, kannst du ihn mit einer leichten Schaumstoffmatte puschen.
Inzwischen gibt es auch Isomatten, die die Wärme des Körpers reflektieren können. Dafür sorgen spezielle Beschichtungen im Inneren der Matte. Eine Notfalllösung, falls du während der Tour merkst, dass du die Kälte unterschätzt oder deine Matte überschätzt hast, ist eine Rettungsdecke. Die hat man ja eh immer dabei und zwischen Boden und Isomatte gelegt, sorgt sie zumindest für ein bisschen mehr Schutz und Wärme. Auch ungenutzte Klamotten, Packsäcke, etc. können im Kältenotfall als zusätzliche Isolierung genutzt werden.
Das gilt übrigens auch für den Schlafsack. Gerade wenn dieser zu groß ist, kannst du die Zwischenräume mit Kleidung ausfüllen. Je mehr Platz nämlich im Schlafsack um dich herum ist, desto mehr Luft muss dein Körper aufheizen und warm halten, damit du nicht frierst. Andererseits gehören bestimmte Dinge ohnehin in den Schlafsack (Elektrogeräte, Kleidung, …), also im Zweifel dann doch lieber die Nummer größer nehmen. Zu klein sollte der Schlafsack jedenfalls nicht sein. Gerade die Füße sollten nicht unten anstoßen, um Auskühlung zu vermeiden.
Beim Schlafsack selbst stellt sich dann noch die Materialfrage: Daune oder Kunstfaser. Bei der Markenvorstellung von Cumulus haben wir schon einmal die Unterschiede, Vor- und Nachteile herausgearbeitet. Kurz zusammengefasst: Kunstfaser ist unempfindlicher gegenüber Feuchtigkeit, meist günstiger aber deutlich schwerer. Daune ist ultraleicht, extrem komprimierbar, dafür isoliert sie einmal feucht geworden so gut wie gar nicht mehr. Was im Sommer unangenehm ist, kann in der kalten Jahreszeit schnell sehr gefährlich werden.
Da Feuchtigkeit jedoch nicht nur von außen an den Daunenschlafsack dringt, sondern auch von innen (von uns selbst), empfiehlt es sich einen sogenannten Vapour Barrier Liner (VBL) zu verwenden. Dieser ist nicht atmungsaktiv, schützt also den Daunenschlafsack vor der von uns abgegebenen Feuchtigkeit. Zudem kann man mit einem solchen Liner, einem Inlet und/oder dem altbewährten Zwiebellook den Komfortbereich seines Schlafsacks noch um ein paar Grad drücken. ;-)
Outdoorküche: Winteredition
Das Zelt steht und ist verankert. Der Windschutz ist aufgebaut. Das einzige, was zum Glück noch fehlt ist eine warme Mahlzeit. Und dann funktioniert der Kocher nicht. So sehr viele Wanderer auf Gas als leichtes und kompaktes Brennmittel schwören, im Winter ist das Käse. Durch die kalten Temperaturen fällt der Druck in der Kartusche und es funktioniert genau gar nichts. Also entweder zu speziellem Wintergas greifen oder für Wintertouren auf einen Benzinkocher umschwenken. Bedenkt beim Abfüllen des Brenstoffs, dass es bei den kalten Temperaturen länger dauern kann, ehe Wasser heiß ist. Auch Schnee zu schmelzen kostet Zeit und damit Brennstoff.

Noch mehr Tipps für kalte Nächte
Ein Kältegraben in der Apsis: Dafür gräbst du in der Apsis ein Loch. In diesem sammelt sich die Kälte (kalte Luft sinkt nach unten). Außerdem lässt es sich so bequem am Zelteingang sitzen.
Bevor es in den Schlafsack geht, wärme dich nochmal etwas auf. Laufe eine Runde um deinen Campspot, mach ein paar Kniebeugen oder Hampelmänner. Hauptsache du kriechst nicht fröstelnd in den Schlafsack. Dieser wärmt nämlich nicht, sondern speichert nur deine Körperwärme.
Wo wir schon bei der winterlichen Abendroutine sind: Abends solltest du eine ordentliche Portion essen. Wer hungrig ist, friert nämlich schneller. Außerdem gehört der Toilettengang zwingend dazu. Nichts ist blöder als nachts aus dem warmen Schlafsack zu müssen. Und zurückhalten? Dann kannst du eine erholsame Nacht gleich abschreiben.
Trockene Socken sorgen im Zelt für warme Füße. Wähle diese nicht zu eng, sodass die Durchblutung nicht gestört wird.
Generell gilt: Nasse Kleidung oder Schuhe möglichst sofort wechseln. Sonst kühlst du schneller aus, als du gucken kannst.
Übrig gebliebenes warmes Wasser (vom Nudeln kochen o.ä.) abgefüllt in einer dicht schließenden Trinkflasche ist ein Top Wärmflaschen-Ersatz. Ist sie zu heiß, zieh einfach eine Socke drüber. Ein weiterer Vorteil: Du hast am nächsten Morgen direkt etwas zu trinken parat.
Niemals die Lawinenschaufel als Schneeanker benutzen. Es kann immer passieren, dass das Zelt über Nacht einschneit, und du dir am nächsten Morgen erst einmal einen Weg frei schaufeln musst.
Wenn ihr in der Gruppe unterwegs seid und sich einer nicht wohl fühlt, solltet ihr das Unternehmen lieber abbrechen. Das ist definitiv besser, als irgendwann die Bergrettung alarmieren zu müssen.
Draußen übernachten im Winter ist eine Herausforderung: an deine Ausrüstung, an deinen Körper und an deinen Geist. Aber selbst wenn du es nur einmal machen solltest und danach nie wieder, wirst du diese eine Nacht im Schnee nicht vergessen. Und mit der richtigen Ausrüstung, guter Vorbereitung und etwas Knowhow kann kaum etwas schief gehen.