19.08.21
Wanderschuhe und Kamera - Ein Guide zum Fotografieren unterwegs (ohne "Muss" und "Soll")
Wanderschuhe und Kamera
Ein Guide zum Fotografieren unterwegs (ohne "Muss" und "Soll")
Text und Bild: Mara Biebow - trekking-lite-store.com; Foto Sonnenaufgang: Christoph Wedemann
Momente festhalten, Erinnerungen einfrieren, Augenblicke konservieren. Fotografieren gehört zum Wandern dazu. Wie der Rucksack, wie die Schuhe. Wir wollen euch in diesem Artikel keine Anleitung für das perfekte Foto beim Wandern geben. Wir wollen keine Regeln aufstellen, kein „du musst“ und „unbedingt“ verwenden. Viel mehr möchten wir unsere Freude am Fotografieren (und Wandern) mit euch teilen und euch ein oder zwei unserer Gedanken mit auf den nächsten Wanderweg geben. Ganz ohne Muss, ganz ohne Strenge, ganz ohne letzte Weisheiten. Die gibt es beim Fotografieren nämlich genauso wenig wie bei der Ausrüstung oder beim Wandern allgemein.
In diesem Artikel erwartet euch:
- eine kurze Zusammenfassung von Kamerabegriffen
- Wissenswertes und Ideen rund um Perspektiven und Kompositionen
- praktische, erprobte Tipps für bestimmte Tageszeiten, Orte und Situationen
- hilfreiche Ausrüstung für unterwegs (und Ideen, wie es auch ohne geht)
- und ein paar Gedanken zum Thema Sicherheit beim Fotografieren.
Die Basics - Kamerawissen
Eines vorab: Eine teure Kamera macht noch kein gutes Bild. Es steht und fällt immer mit dem Blick des Fotografierenden, mit dem fotografischen Auge wenn man so will. Dieser individuelle Eindruck der Wirklichkeit ist es schließlich, die mit Hilfe der Technik (egal ob Handy, Kompaktkamera oder Spiegelreflexkamera) festgehalten wird.
Einige Begriffe werden euch aber bei jedem Modell begegnen. Selbst bei einigen Smartphones. Diese Begriffe sind Blende (engl. apperture), Verschlusszeit (engl. shutter speed) und ISO. Aus diesen drei Einstellungen entsteht im Grunde das Bild. Einzeln einstellen müsst ihr sie aber nicht. Die Automatiken oder Halbautomatiken der heutigen Kameras kriegen das ziemlich gut hin. Allerdings ist es hilfreich zu wissen, was sich hinter den einzelnen „Bestandteilen“ verbirgt. Vielleicht überkommt es einen dann ja doch mal, und man dreht ein bisschen selbst an den Einstellrädchen.
Die Blende
oder: Wie viel Licht landet auf dem Sensor?
Die Blende ist die Öffnung, durch die die Lichtstrahlen auf den Sensor fallen. Durch Vergrößern und Verkleinern steuert man die Lichtmenge. Achtung, jetzt wird es etwas verwirrend: Eine kleine Blendenzahl (z. B. f/4 oder f/2.8) bedeutet eine große Öffnung. Eine große Blendenzahl (z. B. f/16 oder f/22) steht für eine kleine Blendenöffnung.
Neben dem Lichteinfall steuert man mit der Blende auch die Tiefenschärfe, also wie breit oder schmal der scharf gestellte „Streifen“ im Bild ist. Je größer die Blende, desto geringer ist die Tiefenschärfe, desto schmaler also der scharfe „Streifen“. Das ist super für Porträts oder Details, bei denen der Hintergrund verschwommen sein soll. Für Landschaften, die möglichst von vorn bis hinten scharf sein sollen, sollte man lieber eine kleinere Blende einstellen.
Kleine Blendenzahl > Große Blendenöffnung > Geringe Tiefenschärfe also verschwommener Hintegrund
Geeignet für: Porträts, Details, Nahaufnahmen
Große Blendenzahl > Kleine Blendenöffnung > Hohe Tiefenschärfe also relativ scharf von vorn bis hinten
Geeignet für: Gruppenbilder, Landschaften
Die Verschlusszeit
oder: Wie lange fällt Licht auf den Sensor?
Mit der Verschlusszeit ist die Zeitspanne gemeint, in der die Blende geöffnet ist, wie lange also Lichtstrahlen hindurchfallen kann. Um schnelle Bewegungen gestochen scharf einzufangen, eine wegspringende Gemse zum Beispiel, braucht man eine kurze Verschlusszeit: Die Blende ist nur für Bruchteile einer Sekunde geöffnet.
Bei langsameren Bewegungen oder stillen Motiven wie Landschaften und Bergen kann die Verschlusszeit länger gewählt werden. Bei sogenannten Langzeitbelichtungen wird das ganze sogar auf die Spitze getrieben: Mehrere Sekunden oder gar Minuten fällt Licht auf den Sensor. So entstehen Bilder, auf denen Flüsse oder Wasserfälle ganz weiches Wasser zu haben scheinen.
Im Allgemeinen kann bis zu 1/60 Sekunde entspannt aus der Hand fotografieren. Ab 1/30 Sekunde empfiehlt es sich, etwas zum Abstützen zu suchen, um die den fotoapparat oder das Handy ruhig zu halten. Das kann eine Wand sein, ein Baum, oder die Schulter des eines anderen Wanderers. Für Langzeitbelichtungen braucht man dann tatsächlich ein Stativ oder sollte die Kamera irgendwo ablegen. Die Natur bietet zahlreiche natürliche "Stative" ;)
Der ISO
oder: Wie lichtempfindlich ist der Sensor?
Mit anderen Worten: Wie viel Licht habe ich zum Fotografieren zur Verfügung? Bei besten Lichtverhältnissen (also hell, eventuell sogar Sonne) reichen die niedrigsten ISO-Werte, die eure Kameraeinstellungen hergibt. Meist ist das bei 100 oder 200.
Je dunkler es wird, also je schwieriger die Lichtverhältnisse werden, desto empfindlicher muss der Sensor sein und desto höher der ISO. Nachteil: Höhere ISO-Zahlen verursachen irgendwann das sogenannte Rauschen im Bild, also den krisseligen, unscharfen Look. Den kann man durchaus als Stilmittel einsetzen, meist wollen wir ihn aber ehrlicherweise nicht in einem guten Foto haben. Zwar lässt sich das ganze im Nachhinein zumindest zum Teil rausretuschieren, aber mal ehrlich: Wer will nach einer Wanderung noch Ewigkeiten Bilder bearbeiten? Dann lieber gleich drauf achten.
Generell ist es von Kamera zu Kamera unterschiedlich, ab welchem ISO-Wert die Bilder anfangen zu rauschen. Entweder ihr testet das ganze einfach mal, also fotografiert das gleiche Motiv mit unterschiedlichen ISO-Werten, oder ihr googelt nach eurer Kamera in Kombination mit den Schlagworten ISO und Rauschen.
Die Praxis - Perspektive und Komposition
Nach dem ganzen technischen Teil wird es jetzt praktisch. Alle diese Tipps sind gänzlich unabhängig von eurer Fotoausrüstung. Wir beginnen mit der Perspektive. Ein vielleicht langweiliges oder nennen wir es eher unspektakuläres Motiv kann ganz schnell interessant werden, wenn man die Perspektive wechselt. Ganz klassisch unterscheidet man in Frosch- und Vogel-Perspektive sowie Augenhöhe. Übersetzt in Tätigkeiten heißt das: Im den Dreck liegen (oder hinhocken), auf einen Stein/Baum/Zaun/... klettern, oder ganz normal stehen bleiben beziehungsweise sich auf Augenhöhe mit dem zu fotografierenden Wesen begeben.
Auch ein Schritt vor, zurück oder zur Seite zaubert aus einem Solala-Motiv einen Hingucker. Dann schlängelt sich der Bach zum Beispiel noch ein wenig idyllischer durch die Wiese, oder der Baum steht noch besser im Bild, oder der Berg taucht im Hintergudn hinter den Bäumen auf.
Damit sind wir auch schon beim zweiten Aspekt dieses „Kapitels“: der Komposition oder dem Bildaufbau. Denn auch mit einem durchdachten Aufbau, kann man aus einem drögen Bild etwas Besonderes machen. Layern ist zum Beispiel eine beliebte Technik. Dabei wird darauf geachtet, etwas im Vordergrund, im Mittelteil und im Hintergrund zu haben und das Bild durch die verschiedenen Ebenen zu strukturieren.
Gut kombinieren lässt sich das mit der Drittel-Regel, einer Abwandlung des Goldenen Schnitts. Für die Drittel-Regel ist in den meisten Kameras sogar ein Gitter hinterlegt, dass man sich auf den Bildschirm legen kann. So kann man bequem seine Bildaufteilung korrigieren, Augen oder andere Fokuspunkte auf die Kreuzungspunkte legen, oder eben schauen, dass das Objekt im Vordergrund etwa ein Drittel des Raums einnimmt. Wenn man es denn möchte.
Eine weitere Kompositzionsidee ist es, nach natürlichen Rahmen Ausschau zu halten. Das können Äste sein, die einen Gipfel einrahmen, Felsen, Blätter oder auch ganze Waldgebiete. Auch Linienführung spielt mit in die Komposition hinein. Hier heißt es: Experimentieren. Und Perspektive wechseln ;)
Hands on! Rausgehen und Fotografieren
Von der allgemeinen Praxis kommen wir jetzt zu ein paar konkreten Tipps für typische Situatrionen, die uns auf Wanderungen begegnen. Auch oder vielleicht sogar besonders hier gilt: Wir wollen nicht der Weisheit letzten Schluss präsentieren. Fotografie ist individuell und hat auch immer ein bisschen mit Gefühl zu tun. Am Ende findet jeder seinen eigenen Weg zum schönen Bild.
Tageszeiten
Sonnenaufgang / Sonnenuntergang: Gehen wir mal von gutem Sonnenaufgangs- bzw. -untergangswetter und einem schönen Ort aus. Um jetzt die Farben richtig herauszuarbeiten, kann man das Bild etwas unterbelichten. Man lässt also weniger Licht in die Linse fallen, als die Kamera es berechnet hat. Entweder geht das über die Belichtungskorrektur, oder eine kürzere Verschlusszeit, oder eine kleinere Blende. Über den Weißabgleich kann man zusätzlich die Farbtemperatur steuern. Hier am besten austesten, welche Farbstimmung einem selbst gut gefällt. Tendenziell werden die Farben bei der Einstellung "bewökt" etwas wärmer.
Dämmerung: Die Dämmerung, oder auch Blaue Stunde bietet wirklich schwierige Lichtverhältnisse. Früher oder später kann man kaum noch etwas gegen das Rauschen im Bild tun. Trotzdem lohnt es sich herumzuprobieren und gerade urbane Aufnahmen (eine beleuchtete Stadt vom Gipfel aus zum Beispiel) gelingen in dieser Zeit richtig gut.
Mittagssonne: Brennende Mittagssonne, scharfe Schatten und hartes, grelles Licht sind weder ideale Bedingungen für eine Wandeung noch für die Fotografie. Trotzdem sollte euch diese nicht vom Fotos machen abhalten. Man kann mit den Schatten nämlich auch gut spielen. Auch hier im Blick behalten, dass sehr helle Flächen nicht überstrahlen. Wenn ihr andere Wanderer fotografieren wollt, bittet sie am besten an eine schattige Stelle. Sonst entstehen unschöne Schatten im Gesicht.
Gegenlicht: Gegnlichtaufnahmen haben ihren ganz eigenen Reiz. Wer das Motiv etwas aufhellen will, kann hier mit Blitz arbeiten. Unser Tipp: ein Taschentuch oder ein Stück hellen Stoff vor dem Kamerablitz befestigen. So wird das oftmals unschön harte Bloitzlicht gestreut und aus harten Blitzkanten werden weiche Schatten. Natürlich kann man auch diese harten Kanten wieder als Stilmittel benutzen ;)
Orte
Höhe / Kälte: Das wichtigste: Akkus warm halten, also immer schön dicht am Körper mitnehmen und nachts kommen sie mit in den Schlafsack. Die Kamera sollte nach einer kalten Wanderung langsam wieder aufgewärmt und gut getrocknet werden. Gerfrierendes Kondenswasser im Inneren kann der Technik den Garaus machen.
Beim Fotografieren: Handschuhe! Am besten leichte, dünne Handschuhe, mit denen man Tasten und Objektiv gut bedienen kann. Danach kommen einfach die Fäustlinge wieder drüber. In großer Höhe solltet ihr neben der Kälte auch daran denken, dass alles ein bisschen anstrengender ist, das Wandern und auch das Fotografieren.
Regen / Nässe: Kameras halten mehr aus, als man so denkt. Das wichtigste ist, das Ganze gut wieder trocknen zu lassen vor der nächsten (Regen-)Wanderung. Wer auf Nummer sicher gehen möchte oder wenn Starkregen runterkommt, dann kann man sich einen speziellen Regenschutz besorgen. Eine Plastiktüte oder ein Regenschirm tun es aber auch. Auf jeden Fall: Nicht vom Regen abhalten lassen! Auch da entstehen wunderbare Bilder.
Sand / Staub: Schlimmer als Nässe ist da eher Staub und Sand. Objektivwechsel sind hier tabu: Der Sand flutscht auch in die kleinsten Lücken. Zum Saubermachen stellt man das ganze am besten auf den Kopf und arbeitet mit Pinsel und/oder Mini-Blasebalg.
Menschen
Gut, wer den Wanderpartner fotografiert, der hat mit Sicherheit die Erlaubnis dafür (oder sogar die direkte Aufforderung). Bei fremden Wanderern oder Menschen ist das etwas anders. Hier einfach freundlich nachfragen, ob man ein Foto machen darf. Wenn das die Situation zerstören würde, dann sollte man zumindest nach dem Foto-Machen auf die jeweilige Person zu gehen, das Foto zeigen und vielleicht anbieten, es zu schicken. Außerdem kommt man so gleich mit den Mitwanderern ins Gespräch ;)
Fotoausrüstung für unterwegs
Gerade bei schwierigen Lichtverhältnissen (Dämmerung, dunkler Wald, …) und bei langen Belichtungen kommt man um ein Stativ kaum herum. Inzwischen gibt es auch da leichte und kleine Exemplare, die sich zudem wie ein Wanderstock ein- und ausziehen lassen. Ob es ein dreibeiniges wird oder ob ein einbeiniges reicht, ergibt sich durch's Ausprobieren. Oder man setzt gleich auf ein Mini-Stativ.
Statt eines Stativs, kann man die Kamera auch ablegen. Ein Tuch oder Ähnliches schützt sie vor Dreck und scharfen Kanten und gleicht Unebenheiten aus. Mauern, Äste, Felsen oder auch mal der Wanderpartner sind Top-Ersatzstative. Auch wenn man sich selbst gegen einen Baum oder eine Wand lehnt, hat man mehr Stabilität. Die Natur bietet da alle Möglichkeiten.
Gerade für Handy-Fotografen bietet sich auch ein Selfiestick als Helferlein an. Damit lässt sich nicht nur das namensgebende Selfie machen, auch Filmaufnahmen oder Aufnahmen über Kanten o.ä. lassen sich damit realisieren. Mit Gadgets wie dem SticPic kann man zudem den eigenen Trekkingstock in einen Selfiestick verwandeln. Multi-Use und so ;)
Eine gute, vielleicht sogar wasserfeste Kameratasche gehört ebenfalls zu unserer Ausstattung. Am besten so eine, die sich am Hüftgurt des Rucksacks befestigen lässt, sodass man die Kamera immer griffbereit hat und nicht ewig im Rucksack danach kramen muss.
Fotografieren? Sicher!
Kein Foto der Welt ist es wert, sich dafür in Lebensgefahr zu begeben. So, das musste mal gesagt werden. Eigentlich ja auch klar. Trotzdem sieht man immer wieder Menschen an Abbruchkanten, Felswänden und Co. stehen. Bei stürmischen Windgeschwindigkeiten.
Auch beim Wandern mit Kamera gilt: das Wetter im Auge behalten und nicht auf Teufel komm raus noch den Gipfel erreichen wollen. Umkehren oder Abbrechen ist kein Zeichen von mangelndem Willen oder was einem sonst so durch den Kopf schießt. Wenn die Beine schlapp machen oder ein Gewitter aufzieht, dann ist das die einzige richtige Entscheidung.
Apropos Beine: Laufen und Fotografieren gleichzeitig ist keine gute Idee. Zu schnell vertritt man sich, knickt um oder stolpert. Je nach Terrain kann das böse enden.
Und zu guter letzt: Wenn man zu Sonnenauf- oder -untergang auf dem Berg sein will, sollte man bedenken, dass eine Teilstrecke der Wanderung im Dunklen oder in der Dämmerung bewältigt werden muss. Stirnlampe nicht vergessen!
Schlusswort: Lichtspiele
Ohne Licht kein Bild. Fotografie arbeitet nun einmal mit Lichtstrahlen und daher sind die Lichtverhältnisse vielleicht das wichtigste, was man einschätzen muss und sollte. Wenn wir euch also zum Schluss noch einen Tipp mit auf den Weg geben dürfen: Bei wenig oder schlechtem Licht einfach mal die Kamera wegpacken. Das gilt aber nicht nur für besagte Lichtsituation. Auch sonst sollte man manche Momente einfach genießen und nicht durch die Linse betrachten.
Das wichtigste, das wir euch mit diesem Blogartikel mitteilen wollen ist: Geht raus und probiert einfach mal rum. Packt euren Rucksack, zieht die Wanderschuhe an und schnappt euch irgendeine Kamera oder das Smartphone und dann dreht einfach mal eine Runde, fotografiert und wenn ihr mögt, teilt eure Ergebnisse mit #trekkinglitestore oder taggt uns.